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Hamburg Wochenende

Hafen und Alster per Ruderboot

August 2016

Der Hamburg-Wochenendfahrt hatte ich mit Freude und Spannung entgegengesehen. Uwe hatte sie schon lange angeregt und Marlies nutzte schließlich den Oste-Marathon mit Ulrich Rothe von der Wanderrudergesellschaft "Die Wikinger" die Möglichleiten zu erörtern. Und die waren äußerst vielversprechend: Acht Ruderer könnten im Bootshaus preiswert übernachten und sich Boote jeweils mit Besetzung eines Obmanns als ortskundigen Führer ausleihen. Einfach perfekt!

29. Juli 2016: Vorhafen und Speicherstadt bei Nacht

So fuhren wie ohne zeitraubendes Auf- und Abladen, mit zwei PKWs von unterschiedlichen Startpunkten zu verschiedenen Zeiten über abweichende Routen (zur Aufnahme eines weiteren Ruderers unterwegs) zum Wikinger-Bootshaus, wo wir – oh Wunder – genau gleichzeitig gegen 18:30 Uhr ankamen.

Bereits für diesen Abend war die erste Ausfahrt geplant. Aber wo war das Wasser? Der Bootssteg endete unerreichbar über einer großen Schlickbank an ansonsten ungenutzten Hafenbeckenstummel – kurioserweise mit einen Sperrwerk etwa in der Mitte. Durch die Vertiefung der Fahrrinne in der Elbe wirkt sich im Hamburger Hafen der Tidenhub immer stärker aus: Von 1½ m vor etlichen Jahren stieg er auf jetzt 3½ m. Folglich sind die Ausfahrten anhand der Gezeiten zu planen. Die Ausfahrt heute Abend war ab ca. 20:30 Uhr möglich. Genügend Zeit zum Kauf der Wochenendverpflegung

Als Einstieg war eine Fahrt durch den Hafen zur Weltkulturerbe-Speicher Stadt geplant.

Kaum war die Schlickbank mal so gerade mit Wasser bedeckt, setzten wir den ersten gesteuerten Zweier ein. Ein zweiter folgte und schließlich Wotan der Vierer – alle Boote waren nach nordischen Göttern benannt.

Während wir im Hafenbecken aufeinander warteten, um gemeinsam aufzubrechen, gingen meine Gedanken zurück in die Zeit, da ich Mitte der 70er Jahre intensiv für die Hamburger S-Bahn beruflich tätig war, vorzugsweise in Bergedorf und Altona. Die knappe Freizeit verbrachte ich seinerzeit vorzugsweise rund um die St.-Pauli-Landungsbrücken. Der Hafen hatte damals auf mich eine magische Anziehungskraft. Die Kais waren natürlich als Betriebsgelände für mich unzugänglich. Damals überstieg ich – natürlich illegal – zusammen mit einem Kollegen den Zaun und wir betraten sogar unbeobachtet einen Überseefrachter. Nun würde ich ganz legal durch eben diesen Hafen rudern.

Aber der Hafen ist halt doch nicht mehr, was er seinerzeit war: Wir ruderten vorbei an Hafenbecken, die so verschlickt waren, dass sie selbst für Ruderboote nur noch bedingt befahrbar sind. In bestimmten Bereichen duldet die Hafenverwaltung Hausboote, sofern deren Besitzer ein Gewerbe anmelden. Genau genommen auch nur als Betriebsstätte, aber wer bis 2 Uhr nachts dort arbeitet, dem kann man nicht zumuten, dann noch nach Hause zu fahren. Die Gewerbetreibenden dort arbeiten alle bis tief in die Nacht...

Wir hatten kaum abgelegt, begann es zu nieseln, dann zu regnen und schließlich zu schütten. Und zwar so dauerhaft, dass wir nicht ewig unter einer Autobahnbücke pausieren wollten. Aber mit geeignetem Regenschutz übersteht man auch das. Wer aber nur wer eine Regenüberhose mithatte, saß buchstäblich im Trockenen.

Weiter ging es am Hafenmuseum mit dem am Kai liegenden Exponaten vorbei zur Elbphilharmonie, die noch unfertig gleichwohl ein attraktives helles Zeichen setzt. Auch die Fassaden der Speicherstadt waren attraktiv beleuchtet und der Regen ließ schließlich soweit nach, dass man seinen Blick getrost auch nach oben richten konnte.

Wir hatten unser Ziel erreicht und nun ging es zurück zum Bootshaus – aber natürlich nicht dieselbe Strecke. Dank der ortskundigen Führung wurde es wirklich eine perfekte Rundfahrt vorbei an weiteren von Scheinwerfern erleuchteten Attraktionen. Krönender Abschluss war ein Feuerwerk, dass wir aber nur kurzbewundern konnten, weil uns die Freihafenbrücke und die dazu parallel laufenden die Sicht nahmen. Diese markanten Brücken markierten bereits – für mich etwas überraschend – bereits das unmittelbar bevorstehende Erreichen unseres Ziels.

Alle legten Hand an, um die Boote schnell wieder an Land zu bringen, wo wir sorgfältig reinigten wurden, bevor wir sie ins Lager zurückbrachten.

Nach dieser Leistung schmeckten uns die mitgebrachten Würstchen und der Kartoffelsalat beim Bier der Wikinger ganz besonders.

Für mich hat bereits der erste Abend die ganze Fahrt gelohnt. Aber es sollte noch besser kommen.

30. Juli 2016: Alster

Die Gezeitentabelle erlaubte uns die Abfahrt nicht vor 9:30 Uhr. Als besonderen Service brachte und Ulrich vom Bäcker 20 große Brötchen mit. Nach geruhsamen Frühstück blieb noch reichlich Zeit zum Besorgen des Biernachschubs und zum Einsetzen der Boote. Wie mir der Wikinger-Obmann Christoph erzählte, stand in der Bootshalle die Flut schon bis knapp unter der Decke. Damit die sorgfältig gepflegten Boote keinen Schaden nehmen, werden bei sich ankündigenden Fluten vorsorglich an den Booten Schläuche so angebracht, dass vom steigenden Wasser die Luft im Innenraum der Boote nach außen gedrückt wird, bzw. bei wieder sinkendem Wasser wieder nachströmen kann. Einmal wurde die äußere Schlauchöffnung derart verstopft, dass die Luft nicht wieder eindringen konnte – mit dem Ergebnis, dass sich der Träger in seiner ganzen Breite in die Bordwand eingedrungen ist...

Gemeinsam ruderten wir die uns nun vom Vorabend bereits bekannte Strecke erstmals im Tageslicht, wobei sich Ulrich mit seinen reichlichen mit Informationen zu all dem, was es rundum zu sehen gab, als kompetenter Stadtführer zu erkennen gab. Als Schlagmann profitierte ich davon natürlich mehr als der Bugmann. Diesmal ruderten wir einen anderen Kanal durch die Speicherstadt vorbei am Spiegel-Redaktionshaus zum Nikolaifleet, mit dem der Hamburger Hafen 1188 seinen Anfang nahm. Die Gebäude neueren Datums sind  den wenigen althamburgischen Außendeichshäusern entlang der Deichstraße mit ihren schmalen, hohen Fleetfronten architektonisch so angepasst, dass sie das Ensemble kaum stören. Wir ruderten bis unter die Trostbrücke hindurch. Hier ist Schluss. Theoretisch könnte hier aber noch eine Schleuse zum Mönkedammfleet bedient werden, über das man zur kleinen Alster gelangen könnte. Praktisch sind wir aber zum Binnenhaben zurückgekehrt und die Schleuse hinter der Binnenhafenbrücke genutzt. Zwischen dieser und der kurz darauffolgenden Schluse liegt die kleine Alster. Nach Passieren der zweiten Schleuse ruderten wir in die Binnenalster ein.

Wie oft schon habe ich die Binnenalster mit den repräsentativen Kupferdachbauten am Jungfernstieg von der Eisenbahnbrücke aus bewundert, die die kürzeste ICE-Verbindung (genau eine S-Bahn-Station!) zwischen HH-Hbf. und HH-Dammtor verbindet. Mitte auf der Binnenalster schießt eine gewaltige Fontaine in die Höhe und verleiht dem Ganzen einen besonderen Reiz. Genau an dieser Fontaine steuerte Ulrich knapp vorbei. Da wir Ruderer sie erst beim Passieren wahrnehmen konnten (das Rauschen hätte auch vom umliegenden Straßen- und Bahnverkehr kommen können), war sie für uns eine gelungene Überraschung. Wir genossen noch den Blick auf das Rathaus und den Jungfernsteig, als wir u.a. die Bahnbrücke zur Außenalster unterquerten. Exakt dahinter fielen die ersten Regentropfen. Doch bis zum Ruderclub Allemannia, wo wir für eine Pinkelpause anlegen wollten, wären es nur noch ca. 500 Meter – zu nah, um dafür extra Regenklamotten anzulegen. Der Niederschlag wurde im Fünfsekundentakt immer stärker und so ruderten wir den ½ km mit Druck. Dort angekommen war der Wolkenbruch perfekt. Schade nur, dass sich das Seil zum Festbinden total verheddert war. Im Regen macht das Entwirren doppelt so viel Spaß... Na ja, mit einem Föhn wurde wenigstens das T-Shirt wieder leidlich trocken. Als wie ablegten, war der Anorak darüber eigentlich schon wieder überflüssig. Uneigentlich das Wetter aber zu wechselhaft. Ein Glück für uns, denn bei schönem Wetter ist schlecht Rudern auf der Alster bzw. den in die Außenalster mündenden Gewässern. Aber genau die sind es, die für uns Wassersportler besonders attraktiv sind. Nun gibt es ja neben Ruderern auch noch Kanuten, Stehpaddler, Tretbootfahrer etc. deren Verhalten auf dem Wasser nicht immer vorhersehbar ist, um es nett auszudrücken. Deshalb war die Alster in der ersten Planung auch nicht vorgesehen: Nicht nur die Strömung bis zur kleinen Alster, vor allem aber auch der erwartete Betrieb auf den Gewässern rund um die Alster sprachen dagegen. Da aber noch niemand von uns auf der Alster gerudert war, setzte man sich schließlich über die Bedenken hinweg. Und tatsächlich wurden wir kaum behindert – hatten allerdings gelegentlich auch einfach nur Glück, denn an manchen Einmündungen näherten sich uns ganze Rudel von Gelegenheitswassergerätenutzern.

So verließen wir die Außenalster dem Ostufer folgend über den Feenteich und ruderten über den Uhlenhorster Kanal, Hofwegkanal, Osterbekkanal, Barnbeker Stichkanal, Goldbekkanal zum Stadtparksee. Nach einer Umrundung der dort gelegenen kleinen Insel kehrten wir auf den Goldbekkanal zurück um ihm weiter über den Rondeelkanal zum Rondeelteich zu folgen. Von dort aus ging es über den Leinpfadkanal der schließlich im Fluss Alster mündet. Die Alster ruderten wir weiter Stromaufwärts bis zum Ruderverein Wandsbek, wo wir bereits mit Brötchen und Belag zum Mittagessen erwartet wurden. Diesen Service hatte Ulrich für uns fürsorglich vorab organisiert.

Nachdem wir uns gestärkt hatten ging es weiter Alster stromaufwärts bis wir am nördlichsten Punkt unserer heutigen Etappe in den Skagerrak-Kanal abbogen. Dem folgten wir zur anderen Einmündung in die Alster, die wir jedoch nur querten um im Inselkanal weiterzurudern. Auch dieser mündet am anderen Ende wieder in die Alster, der wir nun mit der Strömung rudernd bis zur Außenalster folgten.

Nach den vielen Namen der Gewässer, die Nicht-Hamburger verwirren mögen, ein paar Worte zur Umgebung, durch die wir gerudert sind: Selbstredend haben wir hier die grüne Nobelecke Hamburgs besucht. Herrliche Villen mit jeweils sehr viel Grün drumherum. Da weiß man wo das Geld wohnt, bzw. die, die's haben. Aber auch alle Hamburger Jedermänner (m/w) finden hier ein ideales Naherholungsgebiet – vorzugsweise eben auf dem Wasser, was halt dem Rudern nicht immer zuträglich ist. Für uns war auch diese Runde jedenfalls ein erkenntnisreicher Einblick in die Hamburger Innenstadt, die nicht jedem Hamburg-Besucher geboten wird.

Auf der Außenalster steuerten wir dem Westufer der Außenalster folgend die Toiletten des Ruder-Clubs Favorite Hammonnia (Fari) an, die zugleich zur dortigen Bewirtschaftung gehören. Inzwischen hatte sich das Wetter soweit aufgeklart, dass wir mit freiem Oberkörper rudern konnten. Für den Gang zur Toilette wäre aber wenigstens ein T-Shirt angebracht gewesen...

Nach Querung der Binnenalster und der beiden die kleine Alster begrenzenden Schleusen kreuzten wir schließlich die Norderelbe, um dem viel befahrenen Hafenbecken zur Ernst-August-Schleuse zu folgen. Es wird werktags auch von der Fähre (Linie 73) befahren, die sich bei Touristen als preiswerte Alternative zu den Hafen-Barkassen großer Beliebtheit erfreut. Die Wellen sind hier heftig und Steuerleute gefragt, die stets die passenden Kommandos geben. Aber genau die hatten wir ja.

Von hier aus ging es weiter, die nun schon fast vertraute Strecke über den Veddel-Kanal vorbei an den Rangierbahnhof der Hafenbahn, vorbei am IBA-Bürogebäude der IBA, Peutekanal zur Norderelbe. Nach ca. 400 m biegen wir in den 250 m kurzen Marktkanal ein, an dessen Ufer das Wikinger-Bootshaus steht. Geschafft!

Nach einem Abendessen in einer nahe gelegenen Trattoria suchten Simone und ich noch einen Platz von dem aus man das gestrige Feuerwerk hätte sehen können. Einen vermutlich geeigneten Platz fanden wir zwar, nur gab es halt kein Feuerwerk mehr zu sehen. Nach unserer Rückkehr ins Bootshaus suchten wir wie die meisten Ruderer vergleichsweise zügig die Waagerechte auf.

31. Juli 2016: Container- und Kreuzfahrthafen

Der Sonntag bot – wie der Freitag – nur Raum für eine im Vergleich zur gestrigen Etappe kurze Ausfahrt: Start erneut 40 Minuten später und Rückkehr möglichst gegen 14 Uhr.

Entsprechend spät brachen wir auf um die nun schon fast vertraute Strecke zur Ernst-August-Schleuse zu rudern. Dort, aber auch immer wieder mal zwischendurch machten wir – trotz des prompt beim Ablegen einsetzenden Regens – kleine Pausen, nicht nur um – wie an den Tagen zuvor auch – die Boote beieinander zu halten, sondern auch um die Schleusen gemeinsam zu passieren.

Die Ellernholzschleuse, die wir heute als einzige zu passieren hatten, diente aber nicht dem Höhenausgleich sondern ist eine Strömungsschleuse. Ein Wort das in meinem Wortschatz noch fehlte. Strömungsschleusen verhindern, dass eine Strömung entsteht, die Schlick transportieren würde, der dann aufwändig ausgebaggert und entsorgt werden müsste, wobei Hamburg zudem vor dem Problem steht, den Schlick – den eh keiner haben will - gewissermaßen in ein anderes Bundesland exportieren zu müssen. Die Schleusung passiert schnell: Das Einfahrttor öffnet sich, in die Kammer einfahren und ohne Festzumachen halten, kurz warten bis das Tor schließt und sich gleich darauf das Ausfahrttor öffnet und weiter geht's! In unserem Fall wurden unsere drei Ruderboote mit zwei Barkassen zugleich geschleust.

Letztere machten im nachfolgenden Ellerholzhafen(becken) reichlich Wellen, die natürlich an den Kais reflektiert wurden, so dass sich heftige Kreuzwellen bildeten. Aber das kannten wir ja nun schon zu Genüge vom gestrigen Tag.

Die Wikinger hatten sich vorab im Web informiert, in welchen Hafenbecken ein Containerschiff festgemacht hat und ob im Kaiser-Wilhelm-Hafen überhaupt ein Kreuzfahrtschiff liegt. Schließlich sollte die Ausfahrt unsere Erwartungen erfüllen. Wir hatten Glück: Direkt hinter zwei abzweigenden Hafenbecken wurde ein Containerschiff der chinesischen Staatsreederei Cosco beladen und auf der gegenüberliegenden Seite konnte man bereits die Aufbauten des italienischen Kreuzfahrtschiffs MSC Splendida ausfindig machen. Wir ruderten dicht am Containerschiff vorbei und bogen dann in das Kaiser-Wilhelm-Hafenbecken ein. Natürlich waren wir hier nicht allein, denn auch die Barkassen wollten ihrer Kundschaft etwas zeigen. Das Wasser war entsprechend aufgewühlt und so verzichteten wir darauf, die MSC Splendida komplett entlangzurudern. Beim Wiedereinbiegen in den Ellerholzhafen wurden wir von einer Barkasse angehupt und bei der Vorbeifahrt gab uns der Schiffsführer per Handzeichen zu verstehen, für wie bescheuert er uns hält. Hier Wassersportler anzutreffen ist sichtlich die Ausnahme. Während wir an dem Cosco-Containerschiff vorbeiruderten, hielt ein Schlepper auf uns zu. Um sein Ziel zu erreichen, hätte es gewiss auch einen weniger bedrohlichen Kurs gegeben. Noch bevor wir die Strömungsschleuse erreichten legte ein die Evolution, ein Containerschiff am Kai des Oderhafens ab, um seine Fahrt über den Nord-Ostsee-Kanal fortzusetzen, so jedenfalls die Überzeugung unseres Obmanns Christoph.

Nach Passieren der Schleuse steuerten wir den Anleger der nahe gelegenen Ernst-August-Fähre mit dem Druck an, den wir inzwischen auf der Blase verspürten. Hinter dem Fähranleger befindet sich nämlich der einzige Bootsanleger des Hamburger Hafens. Nachdem wir angelegt hatten, zogen wir unser Boot weiter, um auch den anderen das Anlegen zu ermöglichen. Da für das dritte Boot kein Platz war, ruderte ein Wikinger-Ruderer das dritte Boot während unserer kurzen Pinkelpause geduldig um die beiden Anleger herum.

Nach dieser Erleichterung ruderten wir zügig über den Veddelkanal gen Wikinger-Bootshaus, das wir gegen 14 Uhr erreichten.

Vor dem Ablegen war reichlich Zeit, alles so vorzubereiten, dass wir zügig die Heimfahrt antreten konnten – natürlich nicht, ohne uns zuvor noch einmal für die freundliche Betreuung durch die Wikinger herzlich zu bedanken.